• Frankreich

    Die Brauhistorie in unserem Nachbarland ist eng mit der allgemeinen geschichtlichen und religiösen Entwicklung im Land verwebt. Als die Französische Revolution Ende des 18. Jahrhunderts das Klima gegenüber den kirchlichen Gemeinden feindselig werden ließen, flohen viele Mönche darunter auch Trappisten nach Belgien (La Trappe, Westmalle, Orval). Um 1900 gab es in Frankreich mehr als 1.000 Brauereien. Zwei Weltkriege und die Flucht der Bevölkerung in die Städte führten zu einer drastischen Reduzierung der Landbrauereien. Im Jahre 2008 mit 130 Brauereien, hatte Genussland Frankreich (bekannt für Wein, Brandwein und Cidre) circa ein Zehntel von Deutschland. 2016 versiebenfachte sich die Zahl der Brauereien auf mehr als 950. Paris mit seinen Mikrobrauereien wie Brasserie La Parisienne, FrogBeer, O’Neil und das südlich gelegene Montpellier (Beer Love Fest – 200 Biersorten) profitierten davon! Französisches Bier ist nie simpel und in den Aroma-Variationen setzen die Franzosen auf eine Vielzahl von Geschmacksnoten. Geografisch wird typischerweise das Bier vorwiegend im Norden und Nord-Osten bei Lille (Stil: Bière de Garde) und Calais gebraut. Der Süden (Ausnahme die Insel Korsika) und der Rest des Landes bevorzugen immer noch den Wein und Sekt. Vor allem das Elsass und die Gegend um Straßburg sind bekannt für ihr Lagerbier (Metéor und Kronenbourg gehört zu Heineken). Inspiriert sind französische Biere aufgrund der geografischen Lage von deutschen und belgischen Kreationen, weshalb dunkles Bier in Frankreich meist nicht zu finden ist. In der Bretagne wird gerne mit keltischen Bierrezepturen (Steinbier und/oder Sauerbier, Beißfußkraut und Möhrensamen) experimentiert. Dort haben sich viele kleinere Mikrobrauereien etabliert, die vorrangig in der Region selbst ihre Biere anbieten. Der Alkoholgehalt des französischen Bieres bewegt sich zwischen 4,6 und 13 vol. %. Der Hopfenanbau ist mit nur knapp 5 km² Anbaufläche auf die Hallertau in Bayern (180 km² groß – weltweit führend) angewiesen. Bei der Gerste liegt Frankreich mit Deutschland fast gleichauf und weltweit produziert nur Russland mehr Gerste. Einen urfranzösischen Bierstil zu finden, ist gar nicht so einfach. Dies liegt an der Unabhängigkeit Belgiens, welche erst seit 1830 besteht. Viele der Bierstile aus der heutigen Grenzregion dürfen historisch also durchaus von beiden Nationen für sich beansprucht werden, wie
    z. B. Saison, Blanche, Bière de Garde und Lambic.
    Renaissance des Bieres – Bière Artisanale
    Die internationale Bewegung hin zu einer vielseitigen Bierkultur, von den US-Amerikanern „Craft Beer“ getauft, hat auch vor Frankreich nicht Halt gemacht. Scheinbar hat es diese Bewegung in den klassischen Weinländern sogar leichter als in Deutschland und Österreich, wo der Bierpreis niedriger und die Konkurrenz härter ist. In Frankreich wird diese Kultur unter anderem von Bierspezialitäten-läden getragen, die „Cave à Bières“ heißen. Analog zu Weinkellern kann Bier hier gekauft oder direkt getrunken werden. Diese Anwendung einer Genusskultur, wie man sie von Wein kennt, auf den Biermarkt hat zu der enormen Verbreitung beigetragen, die Bière Artisanale in Frankreich in kürzester Zeit erfahren hat. Wie auch in Deutschland muss sich dieser Biermarkt jedoch erst finden, festigen und einpendeln.

    Verkostete Biere

    Brasserie Pietra, Colomba: 5% vol., Bierstil: Witbier, Farbe: Strohgelb, IBU: 13
    Bier: Dieses spezielle Weizenbier nach belgischer Brauart präsentiert sich mit feincremigem Schaumhut. Durch die Verwendung der korsischen Pflanzenwelt Macchia sprich Wachholder, Myrte und Erdbeerbaumfrüchte entfalten sich in der Nase würzig-kräuterhafte Aromen, die im Mund mit einer frisch fruchtigen Zitrusnote begleitet werden.
    Brauerei: Gegründet 1996 von Dominique Sialelli, der in der nordwestlich gelegenen Stadt Korsika nämlich in Pietraserena (daher der Name Pietra übersetzt bedeutet dies Stein) geboren wurde. Die Brauerei mit zwei zusätzlichen Bierstilen wie ein Kastanienbier und ein Blondes stoßt 25.000 hl pro Jahr aus.

    Brasserie du Mont Blanc, La Verte: 5,9% vol., Bierstil: Kräuterbier, Farbe: Grasgrün,
    IBU: 28
    Bier: Mit dem Wasser und der schwarzen Edelraute (Génépi) gebraut präsentiert es sich
    mit einem kräftigen Grün und duftet nach Alpenkräuter, Minze und Kampfer. Am Gaumen wiederum kräuterhaft, minzig mit Anklängen von Kamille und Birne.
    Brauerei: Brasserie Destillerie du Mont-Blanc wurde 1999 von Sylvain Chiron in den Savoyen gegründet. Eine Besonderheit dieses Unternehmens ist, dass das Wasser aus 2.074 Höhenmeter von der Quelle „Enchapleuze“ stammt. Es werden von Blanche über Veilchenbier bis hin zu einem Amber Ale an die fünf Biere gebraut.

    Ninkasi, White Noise: 5,1% vol., Bierstil: Wheat-IPA, Farbe: helles Goldgelb, IBU: 45
    Bier: White Noise wurde mit einer Riesling-Weinhefe vergoren und mit dem amerikanischen Aromahopfen namens Simcoe und Citra im Kaltbereich beigemengt. Dadurch entwickelt das Bier im Glas ein fruchtiges Aroma nach Litschi, Aprikose, Pfirsich und geriebene Limettenschale. Im Antrunk spiegeln sich die orthonasalen Eindrücke wieder, die Cremigkeit des eingebrauten Weizens dringt durch und schließt mit einer präsenten stiltypischen Bitterkeit ab.
    Brauerei:  Gründung 1997 nach zweijähriger Bierreise in den USA. Seit 2012 mit Bierfabrik in Tarare westlich von Lyon (Rhônetal) und anschließend eigener Brennerei. Die ca. 20 verschiedene Biere (saisonal, Vintage, Collabs) werden meist nach amerikanischem Vorbild gebraut und können in den verschiedenen Restaurants mit Musikkonzerte genossen werden.

    Noyon, 2 Caps:
    6% vol., Bierstil: Belgian Ale, Farbe: dunkles Goldgelb, IBU: 17
    Bier: Das 2 Caps besticht durch seine goldene Farbe mit Bernsteinreflexen im Glas. Wir erriechen harzige, sowie feine Kräuternoten, die uns an Anis erinnern. Im Geschmack ist es spritzig, hefebetont und schließt mit einem vanille-artigen Finale ab.
    Brauerei: Sie liegt in Tardinghen in der nordöstlichen Region Hauts-de-France. Die Brauerei gibt es seit 2003 und produziert an die fünf Bierstile. Angefangen vom meistverkauftem 2 Caps, über einem Bière blanche mit Winterweizen gebraut bis hin zum Schwarzbier etc.

    Brasserie Duyck, Jenlain Or: 8% vol., Bierstil: Bière de Garde, Farbe: kräftiges Strohgelb, IBU: 22
    Bier: Das Or weist im Bierglas eine Aromatik von Malz, Karamell, Heu und Kräutern auf.
    Beim Trinken moussiert es leicht auf der Zunge, es entfalten sich subtil harzig-erdige Noten, die mit einer leichten Schärfe geschuldet vom Alkohol enden.
    Brauerei:
    Seit 2014 leitet Mathieu Duyck das Unternehmen. Der Bierausstoß beträgt 110.000 Hektoliter im Jahr. Anfang des 20. Jahrhunderts braute sein Ururgroßvater Léon Duyck Bier in Zegerscappel in Französisch-Flandern. 1922 zog Sohn Félix nach Jenlain wo er auf seinem Bauernhof im Winter ein bernsteinfarbenes, obergäriges und in Fässern gereiftes Bier produzierte. Durch die lange Lagerzeit oder „Aufbewahrung“ wird dieser Stil Bière de Garde oder „vieille bière“ (altes Bier) genannt. 1949 entschied man sich als Vorreiter, Bier in mit Kronkorken verschlossene Champagner-Flaschen zu verkaufen. Die Universität von Lille rettete in den 70ziger Jahren (Lagerbier-Trend) diesen Bierstil vor dem Aussterben. Im Portfolio der Brauereien stehen an die sieben Biere davon auch ein IPA.

    Brasserie de St. Sylvestre, Gavroche: 8,5% vol., Bierstil: Bière de Garde, Farbe: Bernstein, IBU: 10
    Bier: Das Gavroche ist derselbe Bierstil wie das Or und präsentiert sich mit stiltypischen Malz-Biskuit-Toffeenoten. Der primäre Trunk ist bestimmt durch seine feine Rezenz, es entwickeln sich estrige Duftnoten, die von einer gut eingebundenen Alkoholaromatik abgefangen werden.
    Brauerei: Die Brasserie de Saint Sylvestre ist eine Brauerei in der Region Nord-Pas de Calais im Nordosten Frankreichs. Das genaue Datum (man glaubt Ende 18. Jahrhundert) seiner Gründung ist unbekannt sowie wechselte die Brauerei über die Jahre mehrmals den Besitzer. Mehr als die Hälfte der verwendeten Hopfen und Malze wird vor Ort aus der Gegend des Mont des Cats angebaut. Die Brauerei wird von drei Hügeln (Mont de Cats, Mont Cassel und Mont de Recollets) umringt.

    Brasserie de l’Abbaye du Val-Dieu, Brune: 8% vol., Bierstil: Dubbel, Farbe: dunkles Kupfer, IBU: 19
    Bier: Das Val-Dieu Brune nach dem Vorbild eines Trappistenbieres macht eine 2. Gärung in der Flasche. Die sehr dunkle Farbe gibt schon Aufschluss auf den Geschmack. Espresso- und Mokka Aromen treffen auf Malz und Karamell. Das Mundgefühl ist sehr konzentriert mit weichem Abgang.
    Brauerei:
    Belgische Abteibrauerei, die sich seit 1997 in Aubel in der Wallonie befindet. Ursprünglich wurde sie 1216 von französischen Mönchen (Zisterzienser aus Burgund) gegründet. Die Brauerei produziert mit sechs Bierstilen (blonde, brune und tripel) jährlich 13.000 Hektoliter. Mit dem Cuvée 800, ein mit französischen Doldenhopfen gestopftes Blonde (zu Ehren 800 Jahre Brauereibestehen) gewannen Sie 2016 beim WBA Gold in ihrer Kategorie.

     

    Brasserie Goudale (Gayant), Bière du Démon: 12% vol., Bierstil: Barley Wine, Farbe: kräftiges Goldgelb, IBU: 15
    Bier: Mit 12 vol. % Alkohol wohl ein Meditationsbier vor dem Kamin zu genießen. Beim Öffnen der Flasche folgt gleich ein kraftvoll hochprozentiger Duft, der an einem feinen Cognac erinnert. So entfaltet das Bière du Démon in der Nase Getreidemalz gefolgt von getrockneten Datteln, Kräutern und einem medizinischen Duft. Beim Trinken starten zunächst Maisaromen, die anschließend von der Wucht des Alkoholkörpers weggeboxt werden.
    Brauerei:
    Gegründet wurde diese Brauerei 1919 in Douai im Departement Nord. Ihr Name stammt vom Wahrzeichen der Stadt, den riesigen Gayant. 1982 wurde das Bière du Démon geboren. 2010 erfolgte eine neue Übernahme durch André Pecqueur, der die Brauerei Gayant und Grain d‘ orge im Jahre 2016 ins 90 km südlich gelegene Arques umsiedelte und zu einem hochmodernen Betrieb mit einer Jahresproduktion von 2,5 Mio hl Bier zusammenschloss.